Rechtliche Handlungsmöglichkeiten bei Hasskommentaren, Falschbehauptungen und schlechten Bewertungen im Internet
Kommentare und Bewertungen im Internet und auf Sozialen Medien haben eine zunehmende Bedeutung für die Reputation und den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens. Doch wie kann man juristisch gegen Falschbehauptungen im Internet vorgehen? Und wann kann man einen Kommentar löschen lassen?
Ein Gastbeitrag unserer Trainerin Judith Hesse, Rechtsanwältin und Gründerin von semperIP
Eine Umfrage im Auftrag der Bitkom bestätigt, was viele E-Commerce-Manager schon längere Zeit vermutet haben: „Kundenbewertungen sind das wichtigste Entscheidungskriterium beim Einkauf im Internet.“
Doch nicht nur Kundenbewertungen in Online Shops, sondern auch Kommentare in Sozialen Medien können sich auf den Erfolg von Unternehmen in ganz erheblichem Maße auswirken. Shitstorms können Unternehmen aber auch Privatpersonen langfristig erheblichen Schaden zufügen.
Diese wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung von Kommentaren in Sozialen Medien wirft natürlich auch juristische Fragen auf: Wie kann man sich gegen negative Online-Bewertungen wehren und was kann man gegen Falschbehauptungen und Hasskommentare tun?
Persönlichkeitsrecht im Internet
Bei der Beurteilung, wie man juristisch mit negativen Kommentaren umgehen kann, spielen insbesondere das Persönlichkeits- bzw. das Unternehmenspersönlichkeitsrecht eine wesentliche Rolle. Das Persönlichkeitsrecht umfasst u.a. das Recht von Menschen und Unternehmen, über ihr Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit selbst zu bestimmen (BVerfG, NJW 2005, 883, 883). Wenn sich Unternehmen gegen Aussagen im Internet wehren möchten, muss aber beachtet werden, dass das Unternehmenspersönlichkeitsrecht einen deutlich geringeren Schutz bietet, als das Persönlichkeitsrecht von natürlichen Personen.
Außerdem vermittelt das Persönlichkeitsrecht nicht das Recht, dass ausschließlich so über eine Person oder ein Unternehmen berichtet wird, wie die jeweilige Person das möchte (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2020 – 1 BvR 1282/17). Denn wie bei allen Grundrechten (mit Ausnahme der Menschenwürde) ist der Schutz des Persönlichkeitsrechts nicht unbeschränkt. Es muss vielmehr mit anderen Grundrechten in Ausgleich gebracht werden. Eine zentrale Rolle dabei spielt die Meinungs- und Pressefreiheit.
Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist sowohl zivil- als auch strafrechtlich geschützt. Grundsätzlich können Menschen und Unternehmen, deren Rechte durch Kommentare im Internet verletzt sind, Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen den (unmittelbaren und unter weiteren Voraussetzungen auch mittelbaren) Schädiger geltend machen, also die Löschung des verletzenden Kommentars fordern. Ggf. kann ihnen auch ein Schadensersatzanspruch zustehen. Daneben kann bei bestimmten Äußerungen auch eine Strafbarkeit des Schädigers vorliegen.
Online-Bewertungen und -Kommentare löschen lassen
Bei der Frage, wie sich diese allgemeinen Grundsätze konkret auf den Umgang mit Online-Kommentaren auswirken, muss grundsätzlich differenziert werden:
1. Reine Meinungsäußerungen und wahre Tatsachenbehauptungen
Bei Kommentaren und Bewertungen, die eine reine Meinungsäußerung über ein Produkt enthalten (z.B. „Ich finde die Farbe des Kleids schrecklich“), wird i.d.R. die Meinungsfreiheit des Posters das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Unternehmens überwiegen. Das gilt allerdings dann nicht, wenn der Kommentar lediglich dazu dient, das jeweilige Unternehmen bzw. eine Person unmittelbar herabzuwürdigen und keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung mehr erkennbar ist. In solchen Fällen liegt eine sogenannte Schmähkritik vor, die die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreitet.
Auch bei wahren Tatsachenbehauptungen wird häufig das öffentliche Informationsinteresse die Einschränkung des Persönlichkeitsrechts rechtfertigen. Etwas anderes kann sich allerdings ergeben, wenn beispielsweise der Kern der Privatsphäre, die Geheimnissphäre, oder gar die Intimsphäre betroffen sind (hierzu etwa BGH, Urteil vom 30.04.2019 – VI ZR 360/18).
In allen anderen Fällen müssen Unternehmen allerdings auch negative Kommentare hinnehmen, soweit sie wahr sind bzw. lediglich eine Meinungsäußerung darstellen.
2. Unwahre Behauptungen
Anders ist es, wenn ein Kommentar Tatsachenbehauptungen enthält, die falsch sind.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt grundsätzlich sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen dagegen, dass über sie unwahre Dinge behauptet werden. An der Verbreitung solcher Behauptungen besteht nämlich schon kein anerkennenswertes Interesse. In diesen Fällen kann daher grundsätzlich ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden, d.h. man kann den Äußernden dazu verpflichten, den entsprechenden Kommentar zu löschen und ihm untersagen, eine Äußerung erneut zu tätigen. Werden im Internet unwahre Dinge behauptet, kann außerdem ein Schadensersatzanspruch des Betroffenen in Betracht kommen.
Es stellt sich in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, wer beweisen muss, ob eine Aussage wahr bzw. unwahr ist.
Im deutschen Zivilrecht gilt grundsätzlich, dass die Person, die einen Anspruch geltend machen möchte, die Tatsachen beweisen muss, auf die sie ihren Anspruch stützt. Das heißt: In der Regel können Sie die Löschung eines Kommentars nur verlangen, wenn Sie beweisen können, dass er eine unrichtige Tatsachenbehauptung beinhaltet.
Zu diesem Grundsatz existiert aber eine wichtige Ausnahme: Behauptet jemand über eine andere Person etwas, das dazu geeignet ist, diese Person verächtlich zu machen bzw. in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (Üble Nachrede nach § 186 StGB), ist die Person, die die Tatsache behauptet, verpflichtet, sie zu beweisen (hierzu etwa: LG Düsseldorf, Urteil vom 03.12.2008 – 12 O 552/07). In solchen Fällen kann die Löschung des Kommentars also verlangt werden, sofern die Person, die den Kommentar tätigt, nicht beweisen kann, dass der Inhalt wahr ist.
Um schnellstmöglich gegen unwahre Behauptungen vorgehen zu können, bietet es sich an, einen Schädiger zunächst abzumahnen. Ein erfahrener Rechtsanwalt im Medienrecht kann Sie herbei unterstützen.
3. Sonderfall: Fake-Bewertungen
Ein besonderes Problem stellt sich dann, wenn durch andere Unternehmen Online-Bewertungen gekauft werden: entweder mit dem Ziel, das eigene Unternehmen positiv darzustellen, oder Produkte eines anderen Unternehmens zu diskreditieren.
a) Gekaufte positive Bewertungen von Wettbewerbern
Sollten Sie herausfinden, dass einer Ihrer Mitbewerber selbst positive Kommentare über seine Produkte kauft oder unter falschem Namen seine Produkte positiv bewertet, können Sie wettbewerbsrechtlich gegen diesen Konkurrenten vorgehen. Denn: Fake Bewertungen sollen nur dazu dienen, Verbraucher über die Qualität eines Produkts zu täuschen. Das ist nach dem deutschen Recht gem. § 3 Abs. 1 UWG unzulässig. Das heißt konkret: Sie können die Löschung solcher Kommentare verlangen und u.U. einen Schadensersatzanspruch gegen Ihren Konkurrenten geltend machen.
b) Negative Fake Bewertungen
Es kann natürlich auch passieren, dass Konkurrenten gezielt Fake-Bewertungen über Ihr Unternehmen einkaufen, um Ihnen zu schaden. Da auch diese Kommentare wettbewerbswidrig sind und darüber hinaus i.d.R. auch unwahre Tatsachenbehauptungen enthalten (z.B., weil sich jemand als ein Kunde ausgibt, obwohl er das nicht ist), können Sie solche Kommentare löschen lassen. Ist Ihnen darüber hinaus durch eine derartige Fake-Bewertung ein nachweisbarer Schaden entstanden, können Sie auch Ersatz dieses Schadens verlangen.
Rechtlich gegen Hass im Internet vorgehen
Neben Fake-Bewertungen und unwahren Behauptungen sind auch sogenannte Hasskommentare ein erhebliches Problem im digitalen Raum. Hasskommentare betreffen häufig Privatpersonen und Prominente, aber auch Unternehmen sowie deren Leitungsorgane und Mitarbeitende, insbesondere wenn sich diese Unternehmen politisch positionieren.
Auch bei derartigen Kommentaren muss allerdings immer im Einzelfall abgewogen werden, ob eine Äußerung eine noch hinzunehmende Meinungsäußerung ist oder ob eine Beleidigung vorliegt und damit die Grenzen der Meinungsfreiheit im Internet überschritten sind. Eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne liegt dabei dann vor, wenn ein Opfer durch ein Werturteil des Täters in der eigenen Ehre verletzt wird. Dass diese Abwägung im Einzelfall nicht immer einfach ist, zeigt sich auch an einem Fall von Renate Künast, in dem erst kürzlich eine erneute Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht ergangen ist (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20).
Um gegen den zunehmenden Hass im Internet vorzugehen, hat der Gesetzgeber Betreibern von Sozialen Medien durch das sogenannte Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG) bestimmte Vorgaben zum Umgang mit ggf. strafbaren Inhalten gemacht. So müssen Facebook, Twitter, Instagram und Co. Benutzern zum einen ermöglichen, Hasskommentare zu melden, und sie sind zum anderen dazu verpflichtet, solche Kommentare, wenn diese tatsächlich rechtswidrig sind, innerhalb kurzer Fristen zu löschen.
Die Meldung von Kommentaren im Sinne des NetzDG bietet sich dabei insbesondere an, um schnell gegen Hasskommentare vorzugehen. Daneben bleiben aber auch die allgemeinen zivilrechtlichen Ansprüche bestehen. Entsprechend kann Ihnen unter bestimmten Voraussetzungen auch ein Schadensersatzanspruch wegen der Beleidigung zustehen. Es kann sich also durchaus lohnen zusätzlich gerichtlich gegen Hasskommentare vorzugehen. Auch hier sollten Sie sich von einem Anwalt mit Kenntnissen im Medienrecht beraten lassen.
Zusätzlich sollten Sie Beleidigungen im Internet konsequent zur Anzeige bringen. Denn bei der Beleidigung nach § 185 StGB handelt es sich um eine Straftat, die grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt wird.
Digitales Krisenmanagement – Nicht nur eine juristische Frage
Der Umgang mit negativen Kommentaren ist aus rechtlicher Sicht also eine vielschichtige und teilweise sehr komplexe Frage. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass das Internetrecht eine Materie ist, die sich im ständigen Wandel durch Gesetzgebung und Rechtsprechung befindet.
Doch zusätzlich zu Kenntnissen über die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten benötigt man – gerade als Verantwortlicher im Unternehmen – weitere Kompetenzen, um richtig auf Shitstorms und negative Kommentare reagieren zu können.
Das nötige Rüstzeug hierfür erhalten Sie u.a. durch den Zertifikatslehrgang “Manager:in Digitale Krisen” der Leipzig School of Media. Der Lehrgang richtet sich besonders an E-Commerce-, Online-Marketing- und Social-Media Manager, ist aber grundsätzlich für jeden interessant, der mit Kommentaren im Internet zu tun hat.
Haben Sie darüber hinaus ein konkretes Problem in Bezug auf Online-Bewertungen oder wollen eine unwahre Behauptung oder einen Hasskommentar löschen lassen? Rechtsanwältin Judith Hesse beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Fragen rund um das Wettbewerbs- und Medienrecht und unterstützt sie gerne bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche.