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Krisenmanagement im digitalen Zeitalter: Einblicke und Strategien von Prevency

von | 23.September 2024 | Allgemein, Krisenkommunikation

Eine Studie von Altimeter zeigt, dass sich 28 Prozent der Social-Media-Krisen innerhalb einer Stunde nach ihrem Ausbruch deutlich verschlimmern können, wenn nicht sofort reagiert wird. Schnelle Reaktionen sind also gefragt. Unter Zeitdruck ist es jedoch viel schwieriger, einen kühlen Kopf zu bewahren, rational zu denken und Krisensituationen souverän zu meistern.

Zwischen Chaos und Kontrolle – Social Media Management in Krisenzeiten

Im digitalen Zeitalter kann sich eine Krise rasend schnell ausbreiten. Ein unbedachter Kommentar, ein Missverständnis oder ein technischer Fehler – und plötzlich stehen Unternehmen im Zentrum eines Shitstorms. Genau hier liegt die Herausforderung: den schmalen Grat zwischen Chaos und Kontrolle zu meistern. Wie bleibt man handlungsfähig, wenn es brenzlig wird? Wie verhindert man, dass aus einem kleinen Problem eine echte Krise wird?

Im Interview erklärt Sophia Klewer von Prevency, warum es entscheidend ist, vorbereitet zu sein und wie strukturierte Prozesse helfen können, in turbulenten Zeiten die Kontrolle zu behalten.

 

1.Ab wann beginnt für euch/Prevency eine digitale Krise? Wie definiert ihr diese?

Was eine Krise genau ausmacht, ist für jede Organisation unterschiedlich. Generell sind Krisen aber Ausnahmesituationen, die das Potenzial haben, erheblichen Schaden zu verursachen – sei es finanzieller Art, bezogen auf operative Prozesse oder die Reputation einer Organisation. Eine Krise kann nicht mit dem Daily Business bewältigt werden. Digital ist heute außerdem nahezu jede Krise. Wir leben in einer stark vernetzten Welt, in der sich Informationen blitzschnell über Social Media und Co. verbreiten und das passiert im Krisenfall in aller Regelmäßigkeit. Selbst eine physische Krise, wie ein Brand in der Produktionshalle, wird schnell zur digitalen Krise, wenn ein Anwohner ein Foto der Rauchwolke online teilt. Diese Verbreitung verstärkt die Wahrnehmung und kann die Krise verschärfen, indem sie zusätzliche Aufmerksamkeit und Druck auf die betroffene Organisation erzeugt.

2. Wie funktioniert Euer Shitstorm-Simulator genau? Welche Faktoren werden berücksichtigt, um die Simulation realistisch zu gestalten?

Unsere Software ist quasi ein Klon des Internets und simuliert verschiedene digitale Kanäle wie Social Media, Google News, YouTube, Websites und E-Mails. Während der Simulation schlüpfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in unterschiedliche Rollen innerhalb eines Krisenkommunikationsteams, wie zum Beispiel Teamleitung, Pressesprecher oder Social Media-Manager. Sie spielen dann ein spezifisches Szenario durch, das eine realistische Krisensituation widerspiegelt, wie etwa einen Cyberangriff, Greenwashing-Vorwürfe oder die Verbreitung von Fake News über das Unternehmen.

Um die Simulation so realistisch wie möglich zu gestalten, legen wir großen Wert auf die detaillierte Ausarbeitung der Szenarien. Diese orientieren sich oft an realen Beispielen und sind facettenreich gestaltet, um verschiedene Stakeholder abzubilden, die sich während der Krise zu Wort melden könnten. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass es sich nicht um ein statisches Skript handelt. Stattdessen gibt es echte menschliche Rollenspieler, die auf die Entscheidungen und Aktionen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer reagieren. Diese Rollenspieler beantworten E-Mails, kommentieren auf Social Media und bieten eine authentische Interaktion, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fordert, realitätsnahe Entscheidungen zu treffen und auf dynamische Weise zu kommunizieren.

3. Welche Entwicklungen nehmt ihr in den Live-Simulationen immer wieder wahr?

In unseren Simulationen beobachten wir immer wieder ähnliche Entwicklungen im Krisenmanagement. Die Krise tritt ein und dann herrscht erstmal Chaos: die Informationen sind unzureichend, die Anspannung ist hoch und eine klare Strategie fehlt. Dieses anfängliche Chaos ist nahezu unvermeidlich. Entscheidend ist, wie schnell ein Team die Chaosphase hinter sich lassen kann und in ein geregeltes Krisenmanagement kommt. Der Schlüssel liegt darin, eine strukturierte Vorgehensweise zu etablieren. Dabei helfen klare Kommunikationswege, definierte Rollen und Verantwortlichkeiten, unter Druck ruhig und zielorientiert zu agieren. Genau das trainieren wir in unseren Simulationen, damit Teams im Ernstfall gut vorbereitet sind.

Und der Effekt zeigt sich dann ebenfalls in den Simulationen: Die Teams, die regelmäßig trainieren und aufeinander eingespielt sind, schaffen es, schnell und effizient von der Chaosphase in den Krisenbewältigungsmodus zu wechseln.

4. Was sind die häufigsten Fehler, die Unternehmen in einem Shitstorm machen, basierend auf den Erkenntnissen aus Euren Simulationen? Gibt es typische Verhaltensmuster der Teilnehmer?

Im Umgang mit Shitstorms machen Unternehmen häufig den Fehler, entweder gar nicht oder viel zu spät zu reagieren und dabei die Community zu ignorieren. Eine defensive Haltung kann die Situation zudem verschärfen. Aber: Jeder Shitstorm ist unterschiedlich und der Umgang muss entsprechend angepasst werden.
Im Krisenmanagement stoßen wir oft auf zusätzliche Schwachstellen. Eines der häufigsten Probleme ist die unzureichende Lageerfassung und -darstellung. Unternehmen übersehen oft, wie wichtig es ist, dass alle den gleichen Informationsstand haben und wie schwierig es ist, Informationen geordnet bereitzustellen. In der Praxis fällt das den Teams dann auf die Füße. Ohne effektive Methoden oder digitale Tools zur Lageerfassung entstehen Missverständnisse, die schnelle Entscheidungen erschweren. Auch die Unklarheit über Rollen und Verantwortlichkeiten im Krisenteam stellt oft ein Problem dar. Da die Teams selten zusammenkommen, ist nicht garantiert, dass jeder weiß, welche Aufgaben er hat.

Besonders herausfordernd ist außerdem die Führung in Krisenzeiten. Gerade in Unternehmen mit flachen Hierarchien kann es dann schwierig sein, schnell Entscheidungen zu treffen. In Extremsituationen verhalten sich Menschen außerdem anders, was zu Spannungen führen kann. Führung in der Krise erfordert Entschlossenheit, Klarheit und Empathie, um das Team zu motivieren und auf Kurs zu halten – und das will gelernt sein, gerade wenn man auch selbst dem Druck der Krise standhalten muss.

5. “Eine kleine Krise managen, ist doch sicher einfach“ (z.B. negativer Kommentar auf Social Media) denken sicher viele Menschen. Doch woran wird meist nicht gedacht?

Jede Krise – egal wie groß oder klein – bringt spezifische Herausforderungen mit sich. Oft entscheidet dann die Reaktion darauf, ob die Situation eskaliert. Gerade in Social Media können selbst bei einem Kommentar tausende Menschen mitlesen und es gibt zudem Viralitätspotenzial. Deshalb ist es wichtig, auch vermeintlich kleine Issues ernst zu nehmen und schnell zu reagieren, um eine Eskalation zu vermeiden. Das kann verhindern, dass aus einem kleinen Kommentar eine große Krise wird. Hier gilt: “Better safe than sorry.”

6. Wie wichtig sind die Absprachen im Kommunikationsteam?

Absprachen im Kommunikationsteam sind von entscheidender Bedeutung. In der Krisenkommunikation gilt die One Voice-Policy, was bedeutet, dass das gesamte Unternehmen mit einer einheitlichen Stimme sprechen sollte. Dies kann nur durch eine sorgfältige Abstimmung im Team erreicht werden. In unseren Simulationen sehen wir oft, dass Absprachen bereits an einfachen Dingen scheitern wie z.B. die Definition des Kommunikationskanals. Ebenso wichtig ist die Dokumentation von wichtigen Informationen und eine klare Strukturierung der Krisenmeetings.

7. Wie wichtig ist es, Krisensituationen durchzuspielen, bevor sie eintritt? Reicht nicht auch ein theoretisch besprochener Plan? Was ist der Mehrwert einer praktischen Simulation?

Ein Krisenhandbuch griffbereit zu haben und durchzusprechen, ist hilfreich, aber es bereitet das Team nicht darauf vor, unter extremem Druck schnelle Entscheidungen zu treffen und das Handbuch effektiv anzuwenden. Der große Vorteil unserer praktischen Simulationen liegt im Realismus. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tauchen intensiv in die Krisensituation ein, Puls und Stresslevel steigen. Genau das ist gewollt, um zu üben, wie man in einer Krise effektiv reagiert – auch unter Druck.

In unseren Simulationen erleben wir oft, dass Krisenpläne in der Theorie gut durchdacht sind, aber im Praxiseinsatz Schwachstellen zeigen, wie fehlende Informationen oder mangelnde Visualisierung. Ein Mehrwert einer Simulation besteht darin, diese Schwachstellen in einem sicheren Raum zu erkennen und zu korrigieren. Simulationen bieten außerdem die Möglichkeit, persönliche und teambezogene Erfahrungen zu sammeln, die im Ernstfall unbezahlbar sind. Fehler, die während der Übung gemacht werden, können im Ernstfall vermieden werden. Regelmäßiges Training hilft, eine Routine zu entwickeln, die in einer echten Krise von großem Nutzen sein kann.

8. Welches (eurer Szenarien) Szenario bringt die Teilnehmer am meisten zum Schwitzen?

Von all unseren Szenarien sind es die haltungsgetriebenen Themen, die die Teilnehmer richtig ins Schwitzen bringen. In diesen Szenarien fordern Kunden oder andere Stakeholder eine klare politische Positionierung vom Unternehmen und darauf sind die meisten nicht so gut vorbereitet wie auf andere Themen. Der Knackpunkt bei diesen Szenarien ist, dass Haltung zeigen mehr bedeutet, als nur einen Social Media-Post abzusetzen. Es erfordert eine enge Abstimmung mit der Unternehmensführung und weiterführende Maßnahmen. Haltungsgetriebene Krisen sind anspruchsvoll, weil sie nicht nur schnelle, sondern auch strategisch abgestimmte Reaktionen erfordern. Sie fordern die Unternehmen auf, ihre Werte erstens zu definieren, zweitens klar zu kommunizieren und drittens hinter diesen Werten zu stehen.

Ein Beispiel, das zeigt, wie teuer solche Krisen werden können, ist ein Pepsi-Werbespot mit Kendall Jenner. Der Spot machte eine unglückliche Referenz zu den Black Lives Matter-Protesten und deutete an, dass alle Probleme gelöst werden könnten, wenn Polizei und Demonstranten nur mal eine Pepsi trinken würden. Dies wurde als unangemessen empfunden und führte zu einem massiven Reputationsverlust. Laut einer Umfrage von YouGov erreichte Pepsis Ruf bei der Kernzielgruppe der Millennials für satte neun Monate einen Tiefpunkt, was sich natürlich negativ auf die Kaufentscheidungen auswirkte.

9. Beschreibt mit 3 Wörtern den idealen “Krisenmanager“

Anpassungsfähig, kommunikationsstark, empathisch… und natürlich geübt 😉

 

Vielen Dank für das Interview, liebe Sophia!

 

Sophia Klewer

Im Interview:

Sophia Klewer
Chief Operating Officer @ PREVENCY

 

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