Viele Menschen bevorzugen Videos, um sich zu informieren und zu unterhalten. Dies belegen zahlreiche Studien. Dennoch tut sich mancher Kommunikationsprofi schwer damit, bewegte Bilder zu produzieren und zu veröffentlichen.
Christian Muth, Dozent der Leipzig School of Media (LSoM), führt diese Unsicherheit auf ein Erfahrungs- und Informationsdefizit zurück. Im Interview erklärt der Geschäftsführer der muthmedia GmbH, warum Videomarketing keine Kostenfrage ist und wie Unternehmen und Organisationen das Thema anpacken können.
Frage: Alle sprechen über Videomarketing. Dennoch gehen viele Unternehmen und Organisationen das Thema nicht an. Woran hapert es?
Christian Muth: Im Alltag habe ich hauptsächlich mit den Menschen zu tun, die bereits erfolgreich Videos produzieren oder sich entschieden haben, Videomarketing einzusetzen. Aber klar: Auch ich kenne natürlich Partner, die sich noch nicht sicher sind, ob Videoproduktion ein Thema für ihre Kommunikation ist. In diesem Fall geht das Gespräch in eine Beratung über. Und das halte ich auch für sehr vernünftig.
Liegt es also nur am mangelnden Wissen über Videomarketing und Videoproduktion?
In jedem neuen Bereich, in dem die Erfahrung fehlt, trifft man Entscheidungen vorsichtig. Im Prinzip ist das Thema Videoproduktion den meisten von uns bereits gut bekannt. Jeder filmt inzwischen mit dem Smartphone die eigenen Kinder oder sonst etwas im privaten Bereich und postet die Ergebnisse auch in sozialen Netzwerken. Der Unterschied zum professionellen Marketing: Die Verantwortlichen müssen Ergebnisse liefern. Wenn keine Erfahrungswerte vorliegen, bedeutet die Maßnahme Videomarketing natürlich ein Risiko. Wird es funktionieren? Was, wenn nicht? Sollte ich lieber wieder das Gleiche wie im letzten Jahr nur in hellgrün und ohne Video machen? Mit Websites ist das um die Jahrtausendwende ähnlich gewesen. Alle haben sehr lange überlegt, ob sie das brauchen und wie das aussehen soll. Heute hat jeder eine Website und die Frage, ob ein Unternehmen eine Website haben sollte, wird einstimmig mit Ja beantwortet.
Denken Sie, Videomarketing ist genauso wichtig wie eine Website?
In manchen Fällen noch bedeutsamer, das ist kontextabhängig. Es gibt Prognosen, wonach 70 Prozent des relevanten Contents im Netz in Zukunft Videos sein werden. Vor allem junge Menschen suchen heute im Internet nicht mehr nach Texten. Wenn diese Zielgruppe zum Beispiel wissen möchte, wie ein neues Gerät funktioniert, dann sucht sie nach einem Erklärvideo und lädt keine PDF-Anleitung herunter. Ich gehöre auch zu dieser Zielgruppe und liebe Video-Tutorials. Ich bevorzuge das Video, weil es lebendiger und eingängiger ist. Das Thema zieht sich durch die gesamte Bevölkerung und ist damit relevant für die Unternehmenskommunikation. muthmedia arbeitet an den Standorten Frankfurt und Berlin mit vielen DAX-Unternehmen und Mittelständlern zusammen. Wenn in fortschrittlichen Unternehmen eine neue Software eingeführt wird, es Änderungen in der Unternehmensorganisation oder -kultur gibt, dann werden die notwendigen Kenntnisse, Informationen und Emotionen in Videos vermittelt. Das funktioniert sehr viel besser als mit langen Rundmails.
Ist die Vielzahl der Formate und Kanäle, die beim Videomarketing zur Verfügung stehen, vielleicht auch ein Grund für die allgemeine Verunsicherung?
Ja, das ist absolut richtig. Die Bandbreite ist enorm groß. Kurze Handyvideos, Erklärvideos, Produktvideos bis hin zu Imagefilmen und Werbefilmen in Spielfilmqualität – Videomarketing ist ein Oberbegriff und es entwickelt sich ständig weiter. Wer das Thema angeht, sollte deshalb genau analysieren, welche Möglichkeiten bestehen und welche Ziele verfolgt werden sollen. Daraus leiten sich die Formate ab und auch die Entscheidung, ob man es selbst produzieren kann oder jemanden beauftragen sollte. Natürlich klappen Analyse und Strategiefindung umso besser, je mehr Erfahrung man bereits im Bereich Videoproduktion gesammelt hat.
Die eigenen Möglichkeiten hängen insbesondere mit den finanziellen Ressourcen zusammen. Frisst Videomarketing nicht unheimlich viel Budget?
Professionelle Kommunikation ist generell nicht einfach so aus dem Ärmel zu schütteln. Am besten funktioniert es nach meiner Erfahrung, wenn uns der Kunde ein Budget und ein Ziel nennt und dann überlegt man gemeinsam, wie man dieses Ziel am besten erreichen kann und entwickelt eine Strategie. Grundsätzlich ist Videomarketing aber keine Frage der Unternehmensgröße oder des Geldes. Wir haben schon für die unterschiedlichsten Kunden Videos produziert. Es reicht von einer kleinen Bäckerei bis hin zu internationalen Großkonzernen.
Müssen Unternehmen in Zeiten von Facebook-Live, Periscope und Snapchat noch Hochglanzbilder produzieren oder lassen sich auch mit semiprofessionellen Videos gute Erfolge erzielen?
Die Absender sollten die Perspektive der Nutzer einnehmen. Wenn es um teure Uhren oder Autos geht, geht die Sehgewohnheit zu hochwertigen Bildern, welche die Wertigkeit vermitteln. Es muss aber nicht immer High-End sein. Ein Video mit einem Influencer für YouTube, der eine Testfahrt mit dem gleichen Auto macht, darf auch handwerkliche Schwächen haben. Es wird trotzdem funktionieren, weil es authentisch ist. Bei Food ist es nicht immer ganz so leicht, die Regeln zu brechen. Das Essen sollte schon lecker aussehen, sonst bekommt der Zuschauer keinen Appetit.
Beim LSoM-Seminar Videomarketing, bei dem Sie als Dozent mit von der Partie sind, lernen die Teilnehmer auch, wie sie selbst kleinere Videobeiträge planen und erstellen. Wo liegen die Grenzen solcher Inhouse-Produktionen und wann sollte man eine Agentur einschalten?
Vielen Unternehmen gelingt die eigenständige Videoproduktion sehr gut. Wir haben viele Kunden, welche wir nur bei Bedarf unterstützen, wenn es anspruchsvoller wird oder wenn die Formate entwickelt werden. Zweifellos lässt sich dadurch viel Geld sparen, wenn es funktioniert und gut gemacht wird. Es fragt sich aber, wer im Unternehmen macht es. Ist es der Praktikant, der nach einem halben Jahr weg ist, oder ein eigenes professionelles Team? Hier sollte man sich sehr genau fragen, was nachhaltig ist. Und da kommt man dann wieder zu den Schlüsselfragen zurück: Was möchte ich und welche Möglichkeiten stehen mir zur Verfügung.
Allerdings gibt es Bereiche, da sollte man für eine wertige Kommunikation in jedem Fall Profis engagieren. Ich denke spontan an Videos, die in kürzester Zeit überzeugen müssen und die wichtige Botschaften aussenden sollen. Werbespots oder Videos am Messestand, die in wenigen Sekunden die Leistungsfähigkeit und Kompetenz des Unternehmens zeigen müssen, sollten das auch leisten können. Dies basiert auf Storytelling und professionellen Gestaltungsmöglichkeiten.
Was sind die kritischen Punkte in der Zusammenarbeit zwischen Agenturen und Auftraggebern auf dem Gebiet des Videomarketings?
Man sollte immer genügend Zeit in die Vorbereitung stecken und über alles miteinander sprechen. Die eigentliche Videoproduktion ist für Agenturen wie unsere ein Handwerk, das wir beherrschen und das uns schnell gelingt. So ähnlich, wie wenn man eine Garage baut. Schwer ist es, wenn man eine Garage aus Stein baut und der Kunde hinterher sagt, er hätte eigentlich lieber ein Carport aus Holz gehabt. Das sollte nicht passieren. Je besser also die Abstimmung vor Produktionsbeginn, desto weniger Raum gibt es für Missverständnisse. Eine klare und offene Kommunikation durch den gesamten Projektverlauf ist die Grundlage für den Erfolg im Videomarketing.
Interview: Alexander Laboda
Wie Unternehmen und Organisationen ihre eigenen Möglichkeiten analysieren und Videomarketing sinnvoll in ihre Kommunikationsstrategie einbetten können, lernen Teilnehmer des LSoM-Seminars Videomarketing vom 15. bis 17. Februar 2018. Weitere Themen der Weiterbildung sind die Konzeption von Videobeiträgen, die Inhouse-Produktion von Videos und die Zusammenarbeit mit Agenturen.