Kennen Sie den Schlierbacher Fabrikboten? Dabei handelt es sich um die erste Mitarbeiterzeitschrift Deutschlands. Sie entstand im Jahr 1888, um die Kluft zwischen Arbeitern einer Steingut-Fabrik und der Unternehmensleitung zu verringern. 128 Jahre später hat sich aus diesem Instrument eine bedeutsame Kommunikationsdisziplin entwickelt: die interne Kommunikation. Durch Enterprise 2.0, also den Einsatz von sozialer Software zur Projektkoordination, zum Wissensmanagement und zur Kommunikation, ist dieser Teilbereich der Public Relations national und international in vielen Unternehmen auf dem Vormarsch.
Was ist Mitarbeiterkommunikation und warum wird sie immer relevanter?
„PR begins at home“ – dieses Zitat stammt von Edward L. Bernays, der die ersten Vorlesungen zum Thema Public Relations (PR) an der New York University hielt. Treffender kann man es kaum formulieren: Unternehmenskommunikation beginnt in den eigenen vier Wänden, und zwar noch bevor Kunden, Aktionäre oder Journalisten angesprochen werden. Diese Wände sind durchlässig geworden. Die Grenzen zwischen Unternehmen beziehungsweise Organisationen und der Öffentlichkeit verschwimmen. So führen etwa die Veränderungen der Interaktions- und Partizipationsmöglichkeiten durch Social Media dazu, dass Informationen aus dem Unternehmen schnell und unkontrolliert öffentlich werden können. Beispiel: Ein Mitarbeiter klagt auf seinem privaten Facebook-Profil über die schlechte Atmosphäre im Projekt-Team, was gegenüber dem Kunden zu einer mittelschweren Kommunikationskrise führt und alle anderen PR-Maßnahmen torpediert.
Mitarbeiter motivieren, zusätzliche Potentiale heben
Eine gute interne Kommunikation kann solche Katastrophen verhindern. Anders als zu Zeiten des Schlierbacher Fabrikboten, geht es nicht mehr nur darum, die Distanz zwischen Geschäftsführung und Angestellten abzubauen. Eine effektive Mitarbeiterkommunikation schafft darüber hinaus eine positive Unternehmenskultur. Mittels verschiedener Maßnahmen trägt Sie nicht nur zur Erhöhung der Motivation und Produktivität in der Belegschaft bei, sondern zur Entfaltung der Potenziale jedes einzelnen Mitarbeiters. „Interne Kommunikation hat daher heute zu Recht in vielen Organisationen eine strategische Bedeutung, wird als integrativer Teil eines ganzheitlichen Kommunikationsmanagements verstanden und leistet einen Beitrag zur Wertschöpfung“, sagt Dr. Tobias D. Höhn, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig und Dozent an der Leipzig School of Media (LSoM). „Entsprechend sehen wir ein breites Spektrum an Instrumenten, die je nach Organisationsstruktur und -größe eingesetzt werden und sich gegenseitig stützen – hierzu zählen auch Web 2.0-Anwendungen“, erläutert Höhn.
Social Intranet: Mitarbeiter gestalten Kommunikation selbst
Social Intranet ist eine Möglichkeit, die interne Kommunikation zu organisieren. Hierbei handelt es sich um eine erweiterte Form von Intranet-Lösungen, bei der nicht mehr nur eine Redaktion zentral für die Erstellung und Gestaltung der Beiträge verantwortlich ist, sondern die Nutzer selbst. Die Mitarbeiter werden zu Autoren, die die Interne Kommunikation mitgestalten. So kann das Personal häufig das Erscheinungsbild des Intranets nach eigenen Vorstellungen und Präferenzen ausrichten, durch aktive Beteiligung in Wikis und Foren an der Kommunikation des Unternehmens teilnehmen oder sich untereinander vernetzten. Social Intranet setzt allerdings Kommunikationskonzept voraus, das nach dem Bottom-up-Prinzip funktioniert. Die Faustregel zur Einführung lautet: Mindestens zehn Prozent aller Mitarbeiter müssen das Intranet aktiv mitgestalten wollen. Nur so trägt es sich nachhaltig und entwickelt sich weiter.
Blogs: Informationsinstrument mit persönlicher Note
Ein weiteres Instrument der internen Kommunikation sind Blogs in unterschiedlicher Ausprägung und mit verschiedenen Zielstellungen. So kann ein CEO-Blog oder Geschäftsführungsblog den Dialog zwischen Mitarbeitern und Führungsetage verbessern. Ein solcher Blog sorgt dafür, dass die Mitarbeiter über die Entwicklung und Ausrichtung des Unternehmens auf dem Laufenden bleiben. „Hier werden nicht bloß Zahlen, Daten und Fakten aus dem Geschäftsbericht wiedergegeben, sondern die Mitarbeiter erhalten neue Einblicke, erfahren etwas von dem Menschen hinter dem CEO und können auch direkt Fragen stellen“, sagt Dr. Tobias D. Höhn. Knowledge-Blogs sind eine weitere Blog-Form, die immer häufiger eingesetzt wird. Sie dienen dem Wissensaustausch unter Mitarbeitern und in kleinen Unternehmen können sie den klassischen E-Mail-Verteiler oder komplizierte Wikis ersetzen. Allerdings handelt es sich dabei streng genommen um eine Form des unternehmensinternen Wissenstransfers.
Social Software: Das Ende von E-Mail, Telefon und Aktennotiz
Ein ebenso nachhaltiger wie disruptiver Trend in der internen Kommunikation ist der Einsatz von Social Software. Egal ob einfacher Instant Messenger, Videochat- oder Kollaborationsplattformen – Web-2.0-Anwendungen brechen tradierte Kommunikationsformen auf. Zu den bekanntesten Anwendungen gehört „Slack“, eine Mischung aus den oben genannten Tools, die plattformunabhängig funktioniert und in immer mehr Unternehmen die klassische Kommunikation per E-Mail ersetzt.
Wenn die Kommunikationskultur nicht stimmt, hilft auch Social Media nicht
Effizienterer Informationsaustausch, Beteiligung und Integration – so erfolgversprechend dies alles klingt, ein Allheilmittel sind die neuen Kommunikationsinstrumente nicht. „Social Media und Co. haben in der internen Kommunikation vor allem dann Erfolg, wenn eine Kultur der kommunikativen Offenheit herrscht und die Meinung und Partizipation der Mitarbeiter durch die Unternehmensführung wertgeschätzt wird“, erklärt Dr. Tobias D. Höhn. Interne Kommunikation ist also nur dann erfolgreich, wenn sie den mündigen Mitarbeiter ins Zentrum rückt. Oder um es mit Rolf Kunkel, dem ehemaligen Mitglied der Geschäftsleitung von Siemens Nixdorf, auszudrücken: „Am Abend verlassen 80 Prozent unseres Kapitals das Unternehmen. Wir haben dafür zu sorgen, dass es morgens wiederkommt“.
Interne PR und Mitarbeiterkommunikation sind auch wichtige Themen der LSoM-Kursreihe „Grundlagen der Public Relations“, die das nächste Mal am 16. Juni 2016 beginnt. Dr. Tobias D. Höhn zählt zu den Dozenten der Kursreihe.