Seit meinem Berufseinstieg arbeitete ich ausschließlich in Online-Unternehmen. Neue Tools, agile Arbeitsweisen und die Arbeit mit dem Internet begleiten mich mein Leben lang. Ich bin an die Bedeutung von Teammeetings und Nutzung von Tools (hier geht es schon los) bestens gewöhnt.
Doch in der täglichen Kommunikation bewegt mich die ewige Frage: Warum nutzen alle um mich herum ständig Anglizismen?
Eine meiner ersten Erinnerungen, die mich noch heute spöttisch grinsen lässt, stammte aus einem Gespräch mit einem Teamleiter. Er hatte keine Zeit für ein Flurgespräch, da er noch viel „Paperwork“ auf dem Tisch hat. Paperwork? Ach, Papierkram meinte er. Warum nicht gleich so?
Ich weiß, in der digitalisierten Welt ist die Nutzung von Anglizismen überall angekommen. Dennoch: Ich kann mich nicht daran gewöhnen, Worte wie Workload oder Daily Sprints aktiv zu benutzen. Es fühlt sich irgendwie fremd an. Warum das so ist, kann ich noch nicht beantworten. Vielleicht bin ich ein wenig nostalgisch, denke ich mir manchmal. Auf jeden Fall ist es mir wichtig, dass mich jeder verstehen kann – egal ob jung oder alt. Am liebsten drücke ich mich so aus, dass mich auch meine eigene Oma versteht. Dass ihr die Dimensionen des „Online-Marketings“ und Internets nicht geläufig sind, ist mir bewusst. Stattdessen kann ich sie mit meinen Ausführungen rund um Buchhaltung und Rechnungslegungen begeistern. Sie versteht mich und kann sich unter den Aufgaben etwas vorstellen. Das macht sie glücklich und mich auch.
In Vorbereitung auf diesen Text habe ich einmal mehr meinen Kolleg:innen zugehört und (händereibend) Wortwendungen gesammelt, die hier zum täglichen Sprachgebrauch gehören. Natürlich habe ich auch direkt ein paar Übersetzungsvorschläge dazu. Liebe Kolleg:innen: Seht das hier bitte mit einem kleinen Augenzwinkern. Ihr kennt mich ja. 😉
- „Der Workflow ist noch nicht optimal“ – Der Workflow? Wer hat sich das ausgedacht und wie konnte es dazu kommen, dieses Wort im Berufsalltag zuzulassen? Wollen wir nicht einfach Arbeitsprozesse optimieren?
- „Antworte bitte asap.“ Für mich hat das den Klang einer Boyband oder eines Codes für Außerirdische. Ich ziehe es vor, „Über eine baldige Rückmeldung würde ich mich sehr freuen“ zu nutzen oder meinen Kolleg:innen „Sag mir so schnell wie möglich Bescheid“ zuzurufen.
- „Wir benötigen mehr Manpower“. Hm. Wir sind doch Menschen und keine Roboter. Mit mehr Arbeitseinsatz kann ich mich besser identifizieren.
- „Videocall“ – Ok, an dieses Wort habe ich mich bereits gewöhnt. Mit leise vorgehaltener Hand nenne ich es jedoch Videoanruf, in der Hoffnung, dass ich nicht schief angeguckt werde.
- „Rufst du den Lead an?“ Was soll ich? Es ist wohl eher gemeint, Interessenten zu kontaktieren. Aber ich werde ihn nicht „Lead“ nennen, tut mir leid.
- Eine fehlerhafte Einstellung wurde auf den „Devices“ meiner Kollegin festgestellt. Zögernd schaue ich in die anwesenden Skype-Gesichter, doch: Niemand stört sich daran. Insgeheim schwöre ich mir, dass ich unabdingbar das Wort „Gerät“ nutzen werde.
In einem, derzeit oft stattfindenden, Videotelefonat hörte ich vor einigen Wochen von einer Kollegin zum Gesprächsende: „Wenn etwas ist, call me!“ Mir blieb nichts anderes übrig, als laut zu lachen und „Yes, Baby“ zu antworten. Ich wollte ja nicht von gestern wirken und fand es irgendwie auch süß.
Manchmal fühle ich mich mit diesen Gedanken etwas einsam. Gibt es noch mehr Menschen da draußen, die sich bei der inflationären Verwendung von Anglizismen ein kleines Grinsen nicht verkneifen können? Immerhin: Meine Kolleg:innen wissen mittlerweile, dass sie mit mir besser verständlich sprechen und ich mit ihnen lieber Mittag esse statt mich zum Lunch zu verabreden.